Zwangsprostitution

BILANZ DER KAMPAGNE
“ABPFIFF – SCHLUSS MIT ZWANGSPROSTITUTION”

Die “Fußball-WM 2006” war ein großer Erfolg – das ist Konsens aller Kommentatoren. Als “Volltreffer” bezeichnet der Deutsche Frauenrat unlängst auch die von ihm initiierte und nun abgeschlossene Kampagne “abpfiff – Schluss mit Zwangsprostitution”, mit welcher die WM von zahlreichen Netzwerkpartnern, darunter auch Amnesty International*, begleitet wurde! Kampagnen-Start war der 8. März 2006 (der Internationale Frauentag), und von diesem Tag an bis zum Abschluss der Spiele haben die beteiligten Organisationen in den Austragungs-orten, aber auch in vielen anderen Städten Aktionen durchgeführt und Unterschriften gesammelt.
Es gab ein überwältigendes, weltweites Medienecho, die Nachfrage nach Interviews zu dem Thema war auch bei amnesty riesig. Zudem sind über 77.800 Unterschriften auf den Listen mit den Kampagnen-Forderungen eingegangen. Diese Listen sollen der Bundeskanzlerin Merkel öffentlich überreicht werden. So wurde eines der wichtigsten Kampagnen-Ziele, nämlich öffentliche Aufmerksamkeit für das Problem zu schaffen, in überraschend erfreulichem Ausmaß erreicht.
Denn Zwangsprostitution ist eine Menschenrechtsverletzung mit großer Verbreitung, gerade auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern, die aber bislang kaum angeprangert wurde. Die Kampagne “abpfiff – Schluss mit Zwangsprostitution” hat die WM als Plattform genutzt, um auf mögliche Schattenseiten eines solchen Großspektakels hinzuweisen und vor allem, um mit Nachdruck Maßnahmen zur Prävention und Verfolgung dieses Verbrechens, sowie bessere Hilfsangebote für betroffene Frauen zu fordern.
Dass der befürchtete Anstieg der Zwangsprostitution während dieser WM eher ausgeblieben ist zeigt, dass die Kampagne sogar präventiv gewirkt haben könnte.

  • ) Das Netzwerk, unter der Schirmherrschaft von Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister von Berlin und Dr. Theo Zwanziger, Geschäftsführender Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB): amnesty international Deutschland (ai) – Bund deutscher Kriminalbeamter (BdK) – Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen (BSD) – Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess e.V. (KOK) – Deutscher Frauenrat – Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) – Männer gegen Männergewalt – Männerarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland – Medica Mondiale – Ökumenisches Forum Christlicher Frauen in Europa, Bereich Deutschland e.V. (ÖFCFE).

Amnesty International hatte vorher international schon wiederholt zum Thema “Zwangsprostitution” gearbeitet:

Israel: Human Rights Abuses Affecting Trafficked Women in Israel’s Sex Industry
Amnesty International, AI Index: MDE 15/017/2000, 18.May 2000.

Kosovo (Serbia and Montenegro) “So does it mean that we have the rights?”
Protecting the human rights of women and girls trafficked for forced prostitution in Kosovo
Amnesty International, AI Index: EUR 70/010/2004, 6 May 2004

Council of Europe: Recommendations to Strengthen the December 2004 Draft European Convention on Action against Trafficking in Human Beings
Amnesty International and Anti Slavery, AI Index: IOR 61/001/2005, January 2005

Und so war es nur folgerichtig, sich jetzt dieser Kampagne in Deutschland anzuschließen!

DIE KAMPAGNENFORDERUNGEN

Die jetzt umzusetzenden Kampagnenforderungen sind breit gefächert. Sie beziehen sich auf die Herkunftsländer der Zwangsprostituierten, auf Hilfsangebote hier vor Ort, sowie auf die Arbeit der hiesigen Behörden im Umgang mit den Betroffenen:

Wir fordern von der Bundesregierung und den Bundesländern:

Für die Herkunftsländer

  • Wirtschaftshilfen, die gezielt die eigenständige Existenzsicherung von Frauen fördern;
  • Nachhaltige Unterstützung der lokalen Menschenrechtsgruppen und der Zivilgesellschaft, um die im Folgenden genannten Maßnahmen sicherzustellen;
  • Ausreichende Förderung von Beratungs- und Hilfsprojekten vor Ort und die Sicherstellung einer stabilen Koordination untereinander.
  • Unterstützung der Einrichtung von Beratungsstellen und Schutzhäusern für von sexueller Gewalt und Menschenhandel betroffene Frauen und Mädchen besonders in Kriegs- und Krisengebieten.
  • Maßnahmen zur Sensibilisierung der dort tätigen nationalen und internationalen Polizei und Ermittlungskräfte.
  • Seriöses und flächendeckend verteiltes Informationsmaterial über sichere und legale Migrationsmöglichkeiten sowie die von MenschenhändlerInnen angewandten Methoden.

Für die von Menschenhandel und Zwangsprostitution Betroffenen in der Bundesrepublik

  • Gesicherter Aufenthaltsstatus für eine Frist von mindestens drei Monaten; diese Frist soll den Betroffenen eingeräumt werden als Bedenkfrist für die Entscheidung, ob sie sich als ZeugInnen für einen Prozess zur Verfügung stellen. Sie dient gleichzeitig der Stabilisierung sowie der körperlichen und psychischen Erholung der Betroffenen.
  • Vermeidung vorschneller Abschiebungen durch sensiblen Umgang mit potentiell Betroffenen, umfassende Aufklärung über ihre Rechte in Deutschland sowie Vermittlung der Unterstützung von Fachberatungsstellen.
  • Sicherstellung des Lebensunterhalts und geeigneter Unterkünfte sowie des Zugangs zum Bildungs- und Arbeitsmarkt
  • Medizinische Versorgung und Bereitstellung umfassender therapeutischer Hilfen
  • Recht auf unentgeltlichen Rechtsbeistand
  • Darüber hinaus sollte für diejenigen, die als ZeugInnen in Prozessen aussagen, ein gesicherter Aufenthaltsstatus unabhängig vom Prozessausgang angestrebt werden.
  • Eingehende Einzelfallprüfung durch die verantwortlichen staatlichen Stellen vor der Entscheidung über alle Formen des gesicherten Aufenthaltsstatus. In die für die Entscheidung vorgelegte Empfehlung müssen alle verfügbaren Erkenntnisse zur Gefährdung der Betroffenen einbezogen werden.
  • Verbindliche Kooperationsvereinbarungen in allen Bundesländern zur Zusammenarbeit zwischen den Fachberatungsstellen und den Polizeibehörden.
  • Nachhaltige finanzielle Absicherung der entsprechenden Fachberatungsstellen und deren Zusammenschlüsse, z.B. des Bundesweiten Koordinierungskreises gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess e.V. (KOK)

Für die Arbeit von Behörden in der Bundesrepublik

  • Verpflichtende Berücksichtigung des Problems Menschenhandel/Zwangsprostitution in der allgemeinen Aus-, Fort- und Weiterbildung. Damit soll PolizistInnen und Mit-arbeiterInnen von Ausländer- und Sozialbehörden sowie Jugendämtern ein sensiblerer Umgang mit den Betroffenen ermöglicht werden.
  • Ausreichende Einrichtung von Schwerpunktdienststellen bei den Polizeibehörden, die angemessen mit qualifiziertem Personal ausgestattet sind.
  • Verstärkung der nationalen und internationalen Kooperation in der Strafverfolgung von Menschenhandel.
  • Einrichtung bzw. Ausbau spezialisierter Staatsanwaltschaften.
  • Stärkere Sensibilisierung von Richterinnen und Richtern sowie eine gezielte Werbung für entsprechende Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen

Weitere Informationen: www.frauenrat.de

 

Letzte Änderung:

18. April 2018